Erfahrungsbericht: Gedenkstättenfahrt (2018/19)

Die Erinnerung ist wie das Wasser: „Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“

                  (Noach Flug Sel A., Auschwitz-Überlebender und Präsident des IAK - Internationalen Auschwitz Komitees)

 

Kein anderes Zitat ist wohl besser geeignet, um menschliche Prozesse der Erinnerung zu beschreiben. Doch wie ermöglichen wir uns und unseren Kindern das Erleben, das Erinnern und das Gedenken an Vergangenes? Fakt ist, es gibt kaum noch Zeitzeugen, die uns aus der Zeit des Nationalsozialismus berichten können. Fakt ist auch, dass junge Menschen kaum bis gar nichts über den Holocaust wissen. Dies belegen die Studie der CNN (2018) und die Umfrage der Forsa ( 2017).  Neben der intensiven Auseinandersetzung im Unterricht eröffnen wir an der Tesla-Gemeinschaftsschule weitere Lern- und Erfahrungswege für die Schüler*innen und bieten seit diesem Schuljahr eine Exkursion nach Polen (Krakau Oświęcim/Auschwitz) an.

Nicht das Sammeln von Geschichtsfakten steht hier im Fokus, sondern vielmehr das Sehen, das Erleben der eigenen Emotionen und die Nähe zu den noch vorhandenen Bruchstücken und Quellen dieser verheerenden Zeit. Im Mittelpunkt der diesjährigen Fahrt standen zudem Fragen, die wir in Vorgesprächen erarbeitet. Naturgemäß kommt an erste Stelle die Frage nach dem „Warum?“

 

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit - Notwendigkeit oder Zeitvertreib?

Die Fragen „Warum müssen wir uns heute noch mit dem Holocaust auseinandersetzen?" oder „Was geht es mich an, wenn fremde Menschen in der Vergangenheit Verbrechen begangen haben?“ und "Das ist doch nicht meine Schuld." spiegeln nicht nur die Einstellung einiger Jugendlicher und Erwachsener wider, sondern zeigt auch auf, dass die Relevanz, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, teilweise nicht erkannt wird. Schauen sich die Schüler*innen jedoch die Gegenwart an so sehen sie, dass auch heute noch Menschen mit Behinderungen, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle sowie Andersdenkende unter Stigmatisierungen leiden. In Teilen der Welt werden Menschengruppen ausgegrenzt, verfolgt und im schlimmsten Fall ermordet. Die Schüler*innen erfahren, dass wir nicht in einem luftleeren Raum leben und gesellschaftliche und politische Prozesse immer Resultat dessen sind, was vorher geschehen ist. So schrieb der US-amerikanische Philosoph George Santayana „Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.“ Was so viel heißt wie „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Fragen können Impulse setzen:

  • Wie kam es zur Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen?
  • Wer waren die Opfer des Holocausts?
  • Wie gestaltete sich das jüdische Leben vor dem Holocaust?
  • Wie gehen die Menschen heute mit der Erinnerung um?

und letztlich „Wie kann ich selbst an die Opfer gedenken?“. Eine Variante lernten die Schüler*innen in der Gedenkstätte Auschwitz II kennen. So erhielten die Schüler*innen 1-2 rote Rosen und mussten sich überlegen, an welchem Ort sie diese ablegen wollten. Es stellte sich die Frage: Welcher Ort ist für mich ganz persönlich der Ort, an dem ich gedenken möchte? Im Nachgespräch wurde dann erklärt, warum die Rose genau an der jeweiligen Stelle abgelegt wurde.

Neben den geschichtlichen Aspekten betrachteten wir das heutige Polen/Krakau. Die 16 Schüler*innen erlebten dabei einen Teil der Kultur Polens, indem sie u.a. mit Einwohner*innen ins Gespräch kamen, Kirchen und Synagogen besuchten sowie Märkte und Shoppingpaläste erkundeten. Sie kosteten vom Borschtsch, tranken heiße cremige Schokolade, probierten Bigos, Obwarzanek (Kringel), die weltbekannten Pierogi und nicht zu vergessen „die polnische Antwort auf das Baguette“: Zapiekanki! 

Das Erlebte wurde bereits während, aber auch nach der Fahrt reflektiert. Die Schüler*innen hatten hier einen festen Standpunkt: Ja, eine solche Exkursion ist richtig und wichtig!

 

Wir, die SchülerInnen und das pädagogische Personal der Tesla-Gemeinschaftsschule, danken an dieser Stelle unseren Partnern

·       SOCIUS die Bildungspartner

·       sowie dem Kinderring Berlin e.V.

 für eine unvergessliche und wertvolle Fahrt!

 

Dziękuję!

 

(Bericht Kathrin Radtke)